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Was definiert eine Organisationskultur?

  • Autorenbild: Stephan Bellmann
    Stephan Bellmann
  • vor 2 Tagen
  • 6 Min. Lesezeit

Der Einfluss von Werten, Verhaltensstrukturen und Führungsstil auf die Projektkultur.


Inhalt


Gemeinsames Verständnis und Werte


Die Organisationskultur im Projektmanagement beginnt immer bei den geteilten Werten und dem gemeinsamen Verständnis, wie ein Team arbeiten möchte. Diese Werte wirken oft unsichtbar im Hintergrund, bestimmen jedoch maßgeblich, wie Menschen im Projekt denken, handeln und miteinander umgehen.

Werte entstehen aus mehreren Quellen: Sie können aus der übergeordneten Unternehmens- und Organisationskultur stammen, aus vorangegangenen Projekterfahrungen gelernt sein oder auch direkt durch das Projektteam geprägt werden. Häufig bringen die einzelnen Projektbeteiligten persönliche Werte und berufliche Prägungen mit – gleichzeitig gibt es aber auch Werte, die projektseitig bewusst festgelegt, gemeinsam definiert oder durch den Auftraggeber vorgegeben werden. In der Projektpraxis entsteht somit ein Mischbild aus individuellen Überzeugungen und kollektiven Leitlinien, die sich im Projektalltag zu einer gemeinsamen Wertbasis entwickeln.

Werte geben Orientierung, schaffen Sicherheit und bilden den emotionalen Rahmen eines Projekts. Sie beantworten Fragen wie:

  • Was ist uns im Projekt wirklich wichtig?

  • Wie wollen wir miteinander umgehen?

  • Welche Erwartungen haben wir an uns selbst und andere?

Wenn diese Grundsätze klar sind, entsteht Stabilität – gerade in Projekten, die häufig unter Zeitdruck, Komplexität und Unsicherheit stehen. Fehlen sie, arbeiten Teams zwar gemeinsam am gleichen Ziel, aber oft nicht in dieselbe Richtung.

Werte wirken wie ein Kompass: Sie beeinflussen, ob ein Team mutig entscheidet, zögerlich agiert, ob Konflikte konstruktiv gelöst oder vermieden werden und ob Innovation entsteht oder erstickt wird.



Beispiele für wichtige Werte in Projektteams


Transparenz

Informationen werden offen geteilt, Probleme früh adressiert, Entscheidungen nachvollziehbar dokumentiert.

Beispiel: Das Team stellt Planungsstände und Risiken im Projektboard dar, statt sie nur im Leitungskreis zu halten.


Vertrauen 

Teammitglieder verlassen sich aufeinander, halten Zusagen ein und können Zweifel äußern, ohne Angst vor Konsequenzen.

Beispiel: Ein Entwickler meldet frühzeitig Verzögerungen an, ohne Sanktionen befürchten zu müssen.


Verantwortung 

Jeder übernimmt Ownership für Aufgaben und Ergebnisse, anstatt Zuständigkeiten weiterzuschieben.

Beispiel: Ein Teammitglied übernimmt selbstständig die Klärung einer technischen Frage mit einem Lieferanten, statt darauf zu warten, dass die Projektleitung aktiv wird.


Respekt

Unterschiedliche Meinungen werden gehört, Hierarchien nicht ausgenutzt, Kritik sachlich formuliert.

Beispiel: In Meetings kann jedes Teammitglied Entscheidungen hinterfragen – unabhängig von der Position.


Fehlerkultur

Fehler gelten als Chance zur Verbesserung – nicht als Bewertung der Person.

Beispiel: Nach einem Planungsfehler wird eine Lessons-Learned‑Session durchgeführt, statt Schuldige zu suchen.


Zusammenarbeit

Gemeinsam mehr erreichen als allein, Wissen teilen statt Wissen schützen.

Beispiel: Abteilungen tauschen aktiv Projektwissen aus, statt Dokumente zurückzuhalten.


Mut zur Entscheidung 

Teams treffen Entscheidungen auch bei Unsicherheit – statt auf perfekte Informationen zu warten.

Beispiel: Das Projektteam startet einen MVP‑Release, obwohl nicht alle Daten perfekt sind.


Ergebnisorientierung

Nicht die Aktivität zählt, sondern der Beitrag zum Projekterfolg.

Beispiel: Ergebnisse werden am Nutzen für Milestones bewertet, nicht an geleisteten Stunden.


Kundenfokus

Der Nutzen für den Auftraggeber steht über persönlichen Präferenzen.

Beispiel: Features werden nach Kundennutzen priorisiert – nicht nach Teaminteressen.



Warum Werte so entscheidend sind

Sind Werte im Projekt klar definiert und werden aktiv gelebt, entsteht ein motivierendes und vertrauensvolles Arbeitsumfeld, das Kommunikation, Zusammenarbeit und Verantwortungsübernahme stärkt. Fehlen klare Werte jedoch, kommt es häufig zu Misstrauen, Konflikten, politischem Verhalten und verlangsamten Entscheidungen, was den Projekterfolg erheblich beeinträchtigen kann.


Organisationskultur


Regeln, Rituale und Normen


Regeln, Rituale und Normen prägen das tägliche Verhalten, Denken und Entscheiden aller Projektbeteiligten. Während Werte eher abstrakte Leitlinien darstellen („was uns wichtig ist“), bringen Regeln, Rituale und Normen diese Werte in sichtbares Verhalten – also in die gelebte Realität. Dadurch beeinflussen sie maßgeblich, wie Zusammenarbeit funktioniert, wie Konflikte gelöst werden, wie Leistung entsteht und wie wohl sich Teammitglieder fühlen.

Wenn Werte das Fundament eines Hauses sind, dann bilden Regeln, Rituale und Normen die Architektur, die alltäglichen Abläufe und das „Leben“ im Haus.



Was sind Regeln?

Regeln sind klar formulierte Vorgaben, wie etwas im Projekt ablaufen soll.


Beispiele:
  • In Scrum ist die „Definition of Done“ eine Regel für vollständige Arbeitsergebnisse.

  • Jede Änderung an Scope oder Budget muss durch das Change Control Board.

  • Wenn technische Risiken auftreten, müssen sie innerhalb von 24 Stunden im Risikolog eingetragen werden.


Von wem werden Regeln definiert?
  • durch die Organisation (PMO, Governance, Qualitätsmanagement),

  • durch das Projektmanagement (Projektleiter, Auftraggeber),

  • oder durch Standards/Frameworks (Scrum Guide, PMI, IPMA Leitwerke).


Einfluss auf Kultur

Regeln erzeugen Transparenz, Struktur und Verlässlichkeit.Sie entscheiden, ob ein Projekt eher flexibel und eigenverantwortlich arbeitet – oder stark kontrolliert und formalisiert.



Was sind Rituale?

Rituale sind wiederkehrende, bewusst gestaltete Abläufe, die Sinn stiften und Identität erzeugen. Sie sind nicht zwingend erforderlich, aber emotional, verbindend und kulturell prägend.


Beispiele
  • Daily Stand-up Meetings (Ritual zur Synchronisation)

  • Retrospektiven (Ritual zur Reflexion und Verbesserung)

  • Team Kaffeepause am Montagmorgen

  • wöchentliche „Lessons Learned“-Austauschrunde


Von wem werden Rituale definiert?
  • häufig vom Team selbst

  • durch Führungskräfte

  • oder entstehen spontan und wachsen organisch


Einfluss auf Kultur

Rituale schaffen Zugehörigkeit, Identität und Gemeinsamkeit.Sie stärken Vertrauen, Motivation und Lernfähigkeit.Ohne Rituale rutschen Teams häufig in reine Sachorientierung und verlieren Menschlichkeit und emotionalen Zusammenhalt.



Was sind Normen?

Normen sind unausgesprochene, gemeinsam akzeptierte Verhaltensstandards – also Regeln, die nicht zwingend schriftlich existieren, aber „so macht man das hier“.


Beispiele
  • Man duzt sich im Projekt.*

  • Man antwortet auf Mails innerhalb eines Tages.*

  • Man kritisiert Ideen, aber nicht Personen.*

  • Konflikte werden direkt angesprochen.*

(*Solche Sätze sind typische Norm-Formulierungen.)


Von wem werden Normen definiert?
  • Normen entstehen aus Gruppenverhalten

  • durch wiederholte Muster

  • durch Vorbilder (Führungskräfte, Senior Engineers)

  • durch Sozialisierung neuer Teammitglieder


Einfluss auf Kultur

Normen steuern das reale Verhalten stärker als formale Regeln.Sie entscheiden, ob Zusammenarbeit respektvoll, transparent oder politikgetrieben ist.



Wie diese Elemente zusammen die Kultur prägen können


Wert: Vertrauen

Regel

Statusmeldungen müssen ehrlich, vollständig und ohne Schönfärben erfolgen.

Norm

Man vertraut darauf, dass jeder seine Aufgaben verlässlich erfüllt, ohne Mikromanagement einzufordern.

Ritual

Wöchentliche „Open-Task-Review“-Runde, in der jeder transparent über Fortschritte und Hindernisse berichtet.


Wert: Verantwortung

Regel

Jede Aufgabe hat einen eindeutig benannten Owner, der für Qualität und Termine einsteht.

Norm

Man übernimmt Verantwortung aktiv – anstatt auf andere zu warten oder Schuldzuweisungen zu betreiben.

Ritual

Monatlicher „Accountability-Check“: kurze Session, in der Ziele reflektiert und neu zugeschnitten werden.


Wert: Respekt

Regel

Im Projekt werden Diskussionsregeln verwendet (z. B. Ausreden lassen, keine persönlichen Angriffe).

Norm

Ideen werden fair bewertet – unabhängig von Position, Rolle oder Erfahrung.

Ritual

Nach größeren Meetings bedankt man sich explizit für Beiträge und Zusammenarbeit.


Wert: Lernorientierung

Regel

Nach jedem Sprint/Meilenstein ist eine Retrospektive verpflichtend.

Norm

Fehler dienen als Lernquelle, nicht als Schuldzuweisung.

Ritual

Wöchentliches „Micro-Learning“: 10-Minuten Sharing über Tools, PM-Erfahrungen oder neue Erkenntnisse.


Wert: Zusammenarbeit

Regel

Entscheidungen, die das Team betreffen, dürfen nicht im Alleingang getroffen werden.

Norm

Man holt aktiv Unterstützung, bevor Probleme eskalieren.

Ritual

Gemeinsame „Teamplanung“ für die kommende Woche statt individueller Planung im Silodenken.


Wert: Mut zur Entscheidung

Regel

Entscheidungsprozesse sind zeitlich begrenzt (z. B. 48 Stunden für Lösungsoptionen).

Norm

Man akzeptiert, dass Entscheidungen mit Unsicherheit getroffen werden und im Nachgang angepasst werden dürfen.

Ritual

„Decision Log Meeting“ einmal im Monat: getroffene Entscheidungen werden reflektiert und bewertet.


Wert: Ergebnisorientierung

Regel

Tasks werden nicht nach Aufwand, sondern nach Wirkung priorisiert.

Norm

Man fokussiert sich auf Output statt auf Aktivität oder Präsenzzeit.

Ritual

Wöchentliches „Impact-Board-Update“: Was wurde erreicht? Welche Wirkung hatte es?


Wert: Kundenfokus

Regel

Anforderungen werden mit dem Kunden validiert, bevor sie umgesetzt werden.

Norm

Entscheidungen werden konsequent aus Kundensicht getroffen, nicht aus Bequemlichkeit.

Ritual

Monatliches Customer-Feedback-Review mit echten Rückmeldungen – positive wie negative.


Es ist wichtig zu erwähnen, dass es sich hierbei um eine Orientierung handelt. Oft verschwimmen Regeln und Norman und können nicht klar als solche definiert werden.


Organisationskultur


Führungsstil


Ein Führungsstil beschreibt die Art und Weise, wie eine Führungskraft Entscheidungen trifft, mit dem Team kommuniziert und Verantwortung verteilt. Er legt fest, wie Menschen geführt, motiviert, unterstützt oder kontrolliert werden. Führungsstile reichen von stark hierarchisch (Top-down) bis hin zu kooperativ und selbstorganisiert. In Projekten zeigt sich der Führungsstil z. B. darin, ob Entscheidungen zentral von der Projektleitung getroffen werden oder ob das Team aktiv beteiligt wird.


Wer definiert den Führungsstil im Projekt?


Der Führungsstil wird in erster Linie von der Projektleitung geprägt. Gleichzeitig entsteht er aber im Zusammenspiel mit:

  • der Gesamtorganisation (Unternehmenskultur, Hierarchien, Policies),

  • dem Team und dessen Erwartungen,

  • den Stakeholdern und Kunden,

  • sowie dem Projektkontext (Methodik, Komplexität, Branche).

Damit ist der Führungsstil nicht nur eine persönliche Entscheidung, sondern Ausdruck kollektiver Rahmenbedingungen. Dennoch: Die Projektleitung hat den größten direkten Einfluss und setzt die Tonspur für das Miteinander.


Warum beeinflusst der Führungsstil die Organisationskultur so stark?


Der Führungsstil wirkt wie ein Verstärker der Organisationskultur. Er übersetzt abstrakte Werte in gelebtes Verhalten. Menschen orientieren sich an ihrem direkten Umfeld – besonders an der Führungskraft. Diese schafft Klarheit darüber, was erwünscht, akzeptiert oder tabu ist.

Ein autoritärer Führungsstil führt eher zu Kontrolle, Abgrenzung und Angst vor Fehlern. Ein kooperativer Führungsstil stärkt Vertrauen, Offenheit und Eigenverantwortung. Dadurch verändert der Führungsstil die gesamte emotionale Atmosphäre eines Projektes – und prägt damit die Kultur.


Drei Beispiele für Führungsstile


Autoritärer Führungsstil

Kernidee: Entscheidungen werden zentral von der Führungskraft getroffen.

Wirkung: Wenig Mitbestimmung, klare Hierarchien, starke Kontrolle.

Beispiel: Die Projektleitung bestimmt Aufgaben und Vorgehen ohne Rücksprache, Teammitglieder führen aus.

Passt zu Kulturen mit hoher Regelorientierung, starker Hierarchie und geringer Fehlertoleranz. Sinnvoll bei sicherheitskritischen Projekten oder klaren Compliance‑Vorgaben.


Kooperativer / Demokratischer Führungsstil

Kernidee: Entscheidungen entstehen gemeinsam im Team.

Wirkung: Hohe Motivation, starke Verantwortungsteilung.

Beispiel: Die Projektleitung holt Meinungen ein, diskutiert Lösungen und entscheidet dann gemeinsam mit dem Team.

Besonders geeignet für wissensbasierte oder innovative Projektumfelder.


Laissez-faire Führungsstil

Kernidee: Sehr hohe Autonomie des Teams, kaum Eingriffe.

Wirkung: Kreativität hoch – aber Risiko mangelnder Orientierung.

Beispiel: Die Führungskraft gibt grobe Ziele vor, der Rest bleibt komplett im Team.

Funktioniert in kreativen, forschungsgetriebenen Kulturen, in denen Autonomie und Individualität wichtiger sind als Struktur.

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