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Wie setze ich eine Risikoanalyse um?

  • Autorenbild: Stephan Bellmann
    Stephan Bellmann
  • 4. Dez.
  • 4 Min. Lesezeit

Aktualisiert: 9. Dez.

Eine kompakte, praxisnahe Anleitung zur Risikoanalyse mit einem durchgängigen Beispiel zur vollständigen Umsetzung.


Die Risikoanalyse ist ein zentrales Element professionellen Projektmanagements. Sie unterstützt Teams dabei, Unsicherheiten frühzeitig zu erkennen, ihre Auswirkungen einzuschätzen und wirksame Maßnahmen abzuleiten. Dadurch entsteht Transparenz über potenzielle Risiken – und somit eine fundierte Basis für Entscheidungen, Priorisierungen und die Kommunikation mit Stakeholdern.

Nachfolgend findest du eine strukturierte, praxisnahe Anleitung inklusive Beispiel, wie eine Risiko‑Analyse umgesetzt werden kann.


Risikoanalyse

Übersicht

  1. Risiken identifizieren

  2. Risiken bewerten

  3. Maßnahmen ableiten

  4. Risikobudget ermitteln

  5. Dokumentation



1. Risiken identifizieren

In diesem Schritt werden mögliche Unsicherheiten gesammelt. Wichtig ist dabei nicht nur die Benennung des Risikos bzw. der Chance, sondern auch die Erfassung von Ursache (Warum könnte es auftreten?) und Auswirkung (Was würde passieren?). Diese Informationen bilden die Grundlage für eine gezielte Ableitung von Maßnahmen.

Typische Methoden:

  • Workshops & Brainstorming

  • Experten‑ und Stakeholderinterviews

  • Analyse früherer Projekte

  • Checklisten und Kategorisierung (Technik, Ressourcen, Organisation, Markt etc.)

  • SWOT‑Analyse


Beispiel:

  1. Lieferverzug des Hauptlieferanten – Ursache: Engpässe in der Produktion; Auswirkung: Projektverzug um bis zu 4 Wochen.

  2. Personalausfall durch Krankheit – Ursache: Ausfall einer Schlüsselperson; Auswirkung: Verzögerungen, Wissenslücken.

  3. Technische Fehlfunktion eines neuen Moduls – Ursache: geringe Testabdeckung; Auswirkung: Qualitätsprobleme, Nacharbeit.

  4. Unklare Anforderungen durch den Auftraggeber – Ursache: fehlende Dokumentation; Auswirkung: Rework, Planungsunsicherheit.

Diese vier Risiken werden im gesamten Artikel als durchgängiges Beispiel verwendet und in jedem Schritt weiter ausgearbeitet.


Risikoanalyse

2. Risiken bewerten

Nachdem Risiken und Chancen identifiziert wurden, werden sie anhand zweier zentraler Größen bewertet:

  • Eintrittswahrscheinlichkeit: geschätzt in Prozent (0–100 %)

  • Tragweite: finanzielle Auswirkungen, wenn das Risiko vollständig eintritt

Die Tragweite leitet sich direkt aus den zuvor beschriebenen Auswirkungen ab und beschreibt die volle Höhe der Kosten, die im Schadensfall anfallen würden. Damit entsteht eine klar vergleichbare Grundlage für die anschließende Priorisierung.

Auf Basis dieser beiden Werte kann eine Risikomatrix bzw. Chancenmatrix erstellt werden. Sie visualisiert, welche Risiken und Chancen besonders relevant sind und priorisiert behandelt werden sollten.


Berechnung von Risikowert und Risikobudget

Um das Gesamtrisiko des Projekts ohne Berücksichtigung geplanter Maßnahmen einschätzen zu können, werden zunächst die Risikowerte einzeln berechnet:


Risikowert [€] = Eintrittswahrscheinlichkeit [%] × Tragweite [€]


Anschließend wird daraus das gesamte Risikobudget ermittelt:


Risikobudget [€] = Summe aller Risikowerte [€]


Beide Größen basieren auf Schätzungen – dennoch liefert das aggregierte Risikobudget eine wertvolle Einschätzung darüber, welche Gesamtrisiken das Projekt aus heutiger Sicht birgt.


Beispiel:


Risikowert (ohne Maßnahmen)

  1. Lieferverzug: 40 % × 50.000 € = 20.000 €

  2. Personalausfall: 30 % × 20.000 € = 6.000 €

  3. Technische Fehlfunktion: 25 % × 80.000 € = 20.000 €

  4. Unklare Anforderungen: 50 % × 40.000 € = 20.000 €


Risikobudget (ohne Maßnahmen): 20.000 + 6.000 + 20.000 + 20.000 = 66.000 €

Diese Ausgangswerte werden im nächsten Schritt als Basis für die Ableitung geeigneter Maßnahmen genutzt.



3. Maßnahmen ableiten

Die Bewertung der Risiken und Chancen aus dem vorherigen Schritt dient als Basis, um nun konkrete Maßnahmen zu definieren. Auf Grundlage der identifizierten Ursachen und erwarteten Auswirkungen wird entschieden, wie mit den jeweiligen Unsicherheiten umgegangen werden soll. Handelt es sich um eine Maßnahme, die die Ursache beeinflusst, ist dies eine präventive Maßnahme. Handelt es sich hingegen um eine Maßnahme, die die Auswirkung beeinflusst, ist das eine korrektive Maßnahme.


Strategie für Risiken

Risiken beschreiben mögliche negative Ereignisse. Ziel ist es, Eintrittswahrscheinlichkeit und/oder Tragweite zu reduzieren. Typische Strategien:

  • Vermeiden (präventiv) – Die Risikoquelle wird vollständig ausgeschaltet. Dies geschieht durch Maßnahmen, die die Ursache beseitigen, bevor das Risiko überhaupt entstehen kann. Beispiel: Wechsel auf eine etablierte Technologie, um Unsicherheiten durch neue, unerprobte Lösungen auszuschließen.

  • Reduzieren (präventiv oder korrektiv) – Hierbei soll die Wahrscheinlichkeit oder die Tragweite eines Risikos verringert werden. Präventiv durch vorbeugende Maßnahmen wie zusätzliche Tests, korrektiv durch vorbereitete Notfallmaßnahmen. Beispiel: Mehrstufige Qualitätssicherung (präventiv) oder ein klar definierter Incident‑Prozess (korrektiv).

  • Übertragen (korrektiv) – Das Risiko bleibt bestehen, wird aber finanziell oder operativ an Dritte übergeben. Die Verantwortung für die Auswirkung wird damit ausgelagert. Beispiel: Abschluss einer Versicherung oder Vergabe eines komplexen Arbeitspakets an einen spezialisierten Dienstleister.

  • Akzeptieren – Eine bewusste Entscheidung, keine aktiven Maßnahmen vorzusehen. Dies geschieht meist, wenn Eintrittswahrscheinlichkeit oder Tragweite gering sind oder Gegenmaßnahmen unverhältnismäßig teuer wären. Die Beobachtung bleibt dennoch wichtig.


Beispiel:

  1. Lieferverzug – präventiv: Zweitlieferanten prüfen; korrektiv: Expresslieferung vertraglich absichern.

  2. Personalausfall – präventiv: Wissensverteilung und Vertretungsplan; korrektiv: kurzfristige externe Unterstützung.

  3. Technische Fehlfunktion – präventiv: umfassendere Testphase; korrektiv: Hotfix-Team bereitstellen.

  4. Unklare Anforderungen – präventiv: Anforderungsworkshops; korrektiv: klar definierter Change-Request-Prozess.

Diese Maßnahmen beeinflussen die erneute Bewertung der Eintrittswahrscheinlichkeit und Tragweite.



  1. Risikobudget ermitteln

Nun kann das gesamte Risikobudget unter Berücksichtigung der Maßnahmen ermittelt werden. Dabei wird betrachtet, welches fiktive Budget das Projekt einkalkulieren müsste, wenn alle geplanten Maßnahmen umgesetzt werden. Dieses Budget fällt in der Regel geringer aus als das zuvor berechnete Risikobudget ohne Maßnahmen. Wichtig ist jedoch, dass die Kosten der Maßnahmen ebenfalls berücksichtigt werden.

Bevor das neue Risikobudget berechnet werden kann, muss für jedes Risiko erneut der Risikowert bestimmt werden. Dazu werden Eintrittswahrscheinlichkeit und/oder Tragweite auf Grundlage der geplanten Maßnahmen neu eingeschätzt.

Risikowert(Maßn.) [€] = Eintrittswahrscheinlichkeit(Maßn.) [%] × Tragweite(Maßn.) [€] + Kosten der Maßnahme [€]

Anschließend wird daraus das gesamte Risikobudget ermittelt:

Risikobudget(Maßn.) [€] = Summe aller Risikowerte(Maßn.) [€]


Beispiel:

  1. Lieferverzug: neue Wahrscheinlichkeit 25 %, Tragweite 50.000 € → 12.500 € + 3.000 € (Maßnahme) = 15.500 €

  2. Personalausfall: neue Wahrscheinlichkeit 20 %, Tragweite 20.000 € → 4.000 € + 1.500 € = 5.500 €

  3. Technische Fehlfunktion: neue Wahrscheinlichkeit 10 %, Tragweite 80.000 € → 8.000 € + 5.000 € = 13.000 €

  4. Unklare Anforderungen: neue Wahrscheinlichkeit 25 %, Tragweite 40.000 € → 10.000 € + 2.000 € = 12.000 €


Neues Risikobudget: 15.500 + 5.500 + 13.000 + 12.000 = 46.000 €


Damit reduziert sich das Risikobudget von ursprünglich 66.000 € auf 46.000 € – unter Einbezug der Maßnahmekosten.



  1. Dokumentation

Alle Informationen werden in einem Risiko‑ und Chancenregister im Project-Business-Plan erfasst. Es bildet die zentrale Basis für die Planung und Steuerung während der Projektdurchführung und wird somit regelmäßig kontrolliert und aktualisiert.

Typische Inhalte:

  • Übergeordnet: Risikobudget(ges)

  • Übergeordnet: Risikobudget(o. Maßn.)

  • Ursache

  • Auswirkung

  • Beschreibung

  • Eintrittswahrscheinlichkeit

  • Tragweite

  • Priorität

  • Maßnahmen

  • Verantwortlicher

  • Status


Risikoanalyse

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